In meinen Mandaten greife ich immer wieder auf John Kotters Change-Modell zurück. Veränderung lässt sich in den allermeisten Fällen erfolgreicher gestalten, wenn man Kotters Ansatz verstanden hat und darauf aufbaut. Wie kann das helfen, wenn’s um den Aufbau eines Newsrooms geht? Ein Crashkurs, der die Themen “Newsroom” und “Change” zusammenbringt.

von Volker Matthies

Eine oft gehörte Antwort auf die Frage, was am Anfang der Veränderung steht, lautet: eine Vision. Kann man so machen, kann aber scheitern. Für das Management ist oft klar, wo die Reise hingehen muss: sinkende Marktanteile, schwindende publizistische Relevanz, das Erstarken neuer Player machen Veränderung erforderlich. Aber sieht das auch die Belegschaft so? Die Haltung ist oft eine andere: Wird die Konkurrenz stärker, flüchten sich Menschen reflexhaft in das, was sie gut können und strengen sich einfach noch etwas mehr an. Das verschlimmert die Situation, wertvolle Zeit geht verloren. Deshalb: Die Dringlichkeit klar zu machen, dass sich etwas ändern muss, ist Schritt 1.

Ist der CEO überzeugt, dass ein Newsroom das Unternehmen stärken kann, auch die Chefredakteurin sieht es so und auch der Leiter der Internen Kommunikation, das ist schon mal gut. Aber es reicht nicht. Über die Silos und die Ebenen hinweg braucht es viele Menschen, die einen neuen Weg gehen möchten, die ihn glaubhaft argumentieren und vertreten können, die den oftmals zähen Anschub der Veränderung tragen, das ist Schritt 2 – der Aufbau und die Pflege einer Koalition, oft: sogar mehrerer Koalitionen.

Mit dem Aufbau eines Newsrooms kann sehr schnell vieles in Verbindung gebracht werden. Die entscheidende Frage ist: Warum machen wir das überhaupt? Und hier kommt Schritt 3 zum Zug: eine klare Vision, hinter der sich die Menschen versammeln können. Eine gute Vision beschreibt eines wünschenswerte Zukunft, sie ist kraftvoll, sie spricht Herz und Verstand an.

Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Wenn die Vision mit einem kraftvollen Prozess zum Aufbau des Newsrooms unterlegt ist, wird jedem klar, dass die Vision ernst gemeint ist. Es geht also darum, Menschen in der Breite zu beteiligen, sie in die Aktion zu bringen, die verschiedenen Stränge für den Aufbau des Newsrooms gut koordiniert nach vorne zu bringen. Das ist Schritt 4.

Eine maßgebliche Veränderung ohne Widerstand habe ich noch nie erlebt. Ein gut aufgesetzter Newsroom-Prozess integriert den Widerstand, dafür gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Wird der Widerstand ignoriert oder abgebürstet, wächst er. Ab einem gewissen Punkt ist es aber wichtig, Barrieren aus dem Weg zu räumen. Das kann bisher gelebte Prozesse, Entscheidungen über den Einsatz von Ressourcen oder das Verhalten von Menschen betreffen. Das ist Schritt 5 – nicht zu unterschätzen.

Schritt 6 wird gerne übersehen, weil der Fokus und die Energie noch auf Schritt 5 liegen. Der Widerstand ist oft noch laut, will bedient werden. Um so wichtiger ist es, die ersten sich einstellenden Erfolge des Zusammenarbeitens im Newsroom zu feiern. Das Management muss glaubhaft den Scheinwerfer auf die richten, die bereit sind, ins Risiko zu gehen, Neues auszuprobieren. Dieser Schritt kostet nicht viel, nur Aufmerksamkeit und ein Gespür für Kommunikation. Der Vorteil: Nichts nimmt dem Widerstand einfacher den Wind aus den Segeln als Erfolg – der glaubhaft mit dem Newsroom-Ansatz in Verbindung gebracht werden muss.

Die neuen Erfolgsformeln (z. B. Metriken) sind gesetzt, die notwendigen Ressourcen aufgebaut, die Newsroom-Prozesse greifen. In Schritt 7 geht es darum, aus den gewonnenen Erfahrungen ein System zu machen, das neue Normal nachzuhalten, zu festigen und auszubauen.


Der nachhaltige Erfolg ist aber erst erreicht, wenn auch in Schritt 8 investiert wird: die Veränderung unumkehrbar zu verankern. Oft habe ich die Erfahrungen gemacht, dass das Management zu früh seine Aufmerksamkeit dem Newsroom-Prozess entzieht, um sich anderen Themen zu widmen – hohes Risiko! Was sich über Jahre und Jahrzehnte eingeschliffen hat, ist lange noch präsent. Ich habe es beim Aufbau meines ersten Newsroom-Modells 2012 selbst (leidvoll) erlebt. Gehen die Newsroom-Strategen zu früh von Bord, kann es passieren, dass still und leise alte Verhaltensweisen wieder Raum gewinnen und den erfolgreich gestalteten Weg unterminieren.